Jedes Jahr zu Ostern startet die Diskussion um sogenannte „Stille Tage“ auf’s Neue. Dies hängt damit zusammen, dass der Karfreitag zum einen in allen Bundesländern ein stiller Tag ist, die Regelungen hier teilweise über jene anderer stiller Tage hinausgehen und der Karfreitag im Gegensatz zum Volkstrauertag ein kirchlich motivierter Feiertag ist.
Stille Tage sind üblicherweise Feiertage, an denen der Charakter des Feiertags eine besondere Ruhe gebietet. In Bayern sind dies der Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Allerheiligen, der Volkstrauertag, der Buß- und Bettag, der Totensonntag und Heiligabend. 2013 setzte die FDP-Fraktion im bayerischen Landtag durch, dass die meisten stillen Tage (außer Karfreitag und Karsamstag) nicht mehr ganztägig, sondern von 2-24 Uhr begangen werden; Heiligabend bildet hier eine Ausnahme und ist von 14-24 Uhr „still“.
Besagte Ruhe wird in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt, in der Regel sind pauschal alle Veranstaltungen, welche „die Ruhe stören“, verboten. Dazu gehören meist Tanzveranstaltungen, teilweise auch Sportveranstaltungen oder öffentliche Vorführungen bestimmter Filme, wie z.B. Das Leben des Brian, Feuerzangenbowle oder Max und Moritz. Die komplette Liste an Filmen, welche die FSK als „nicht feiertagsfrei“ eingestuft, wurde von der Piratenpartei veröffentlicht und ist im Internet abrufbar.
Zunächst drängt sich hier die Frage nach den Feiertagen ganz allgemein auf: Warum überhaupt sind die kirchlichen Feiertage staatliche Feiertage?
Diese Frage lässt sich ganz pragmatisch beantworten: 1. Wir mögen Feiertage. 2. Viele Menschen wollen kirchliche Feiertage begehen.
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein christlich geprägtes Land ein dutzend christliche Feiertage begeht. Es gibt durchaus die Möglichkeit, säkulare Feiertage einzuführen – auch ohne „tieferen Sinn“. In Irland beispielsweise ist der erste Montag der Monate Mai, Juni, August und Oktober jeweils ein Feiertag – und das im Falle der drei letzteren „einfach so“. Es ist jedoch schlicht praktisch, den Leuten dann frei zu geben, wenn eine große Zahl frei haben will.
Daraus lässt sich dann jedoch nicht ableiten, dass der Staat verordnen darf, dass irgendjemand dem religiösen Hintergrund des Feiertags folgt. Die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit (Art. 4, Abs. 1) ermöglicht den Bürgern nicht nur, ihren Glauben auszuleben, sondern auch vom Ausleben jedweden Glaubens abzusehen oder schlicht keinen Glauben zu haben. Möchte ich also am Karfreitag nicht traurig sein, so hat mir das verdammt noch mal zuzustehen. Gleiches gilt übrigens für den Volkstrauertag: Wenn ich meine Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses darin auslebe, dass ich glücklich bin, hat das in einer liberalen Demokratie niemanden zu interessieren.
Selbstverständlich sollte jeder seine Religion ungestört ausüben dürfen – auch dies garantiert das Grundgesetz (Art. 4, Abs. 2). Wenn eine Karfreitagsprozession durch den Ort ziehen will, habe ich damit überhaupt kein Problem. Es ist klar, dass diese Prozession durch einen daneben stattfindenden Techno-Rave erheblich gestört würde. Genau dafür gibt es Gesetze gegen Ruhestörung.
Die „Ruhe“, die durch die stillen Tage geschützt wird, ist eine andere, abstraktere. Die entsprechende Gesetzgebung dient wie oben genannt dem Zweck, den Charakter des Feiertags zu erhalten. Und wenn es eben ein trauriger Tag ist, dann soll eben da niemand Spaß haben. Hier kommen wir in eine Konfliktsituation: Einerseits habe ich ein Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit, andererseits haben die anderen ein Recht auf ungestörte Religionsausübung. Wenn ich also in Ruhe tanzen will und die anderen mir in Ruhe den Tag vermiesen wollen, damit nur ja alle traurig sind – wer sollte Vorrang haben?
Ich glaube, dass es kein Recht gibt, jemandem anderen zu schaden, und dass dieses auch aus der Religionsfreiheit nicht ableitbar ist. Solange ich also mit der Tanzveranstaltung oder der Filmvorführung keinen tatsächlichen, außen wahrnehmbaren Lärm verursache, gewinnt immer die allgemeine Handlungsfreiheit. Ansonsten könnte mir der Papst ja auch noch vorschreiben, wie ich Sex haben soll und diese Regeln staatlich durchsetzen lassen – weil es den Gemütern der Katholiken ja nicht zuzumuten ist, dass irgendwo vielleicht jemand etwas anderes macht als die Missionarsstellung.
Unter freiem Himmel hingegen muss selbstverständlich abgewogen und alle Interessen berücksichtigt werden. Hier können Einschränkungen sinnvoll sein, da menschliches Zusammenleben immer mit Kompromissen behaftet ist.
Solange mich jedoch jeden Sonntag Kirchturmglockengeläut aus dem Schlaf weckt, braucht mir kein Kirchenvertreter irgendetwas von Rücksicht zu erzählen.
März 23, 2016 at 3:52 pm
Schöner Beitrag, die Meinung wird gut argumentiert rüber gebracht und der Standpunkt ist klar. Der Titel bringt das Ganze wunderbar auf den Punkt.