Seit ein paar Tagen dominiert ein großes Thema die Medienwelt: Der UN-Migrationspakt.
Dabei fällt auf, dass leider die meisten Sekundärquellen mehr Fragen als Antworten offenlassen. In insb. dem rechten Spektrum wird ein Untergangsszenario heraufbeschworen (Beispielsweise hier AfD: https://www.afd.de/migrationspakt-stoppen/), in gemäßigteren Medien wie der Tagesschau scheint aber weniger der Inhalt eine Rolle zu spielen, sondern die Frage, wie bindend der Pakt sei. (Beispiel: https://faktenfinder.tagesschau.de/ausland/migrationspakt-101.html)
Der hier vorliegende Artikel wird sich hauptsächlich mit dem Inhalt des Paktes selbst beschäftigen. Da der Pakt sehr umfangreich ist und der Autor nicht einfach ein 32-Seitiges Dokument kopieren will, sollen nur einige Schwerpunkte gesetzt und ein paar Behauptungen über den Pakt aufgegriffen werden. Der Autor legt aber jedem ans Herz, der sich für den UN-Migrationspakt besonders interessiert, diesen selbst zu lesen. (Hier als pdf: www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf) Vermehrt wird die Behauptung aufgestellt wird, der englischsprachige (original) Text würde von der Deutschen Übersetzung wesentlich abweichen. Für Interessierte werden deshalb alle in diesem Artikel verwendete Zitat aus dem Pakt mit dem englischen Original verglichen. Die Behauptung, es gäbe wesentliche Abweichungen, ist jedoch falsch. (Englischsprachige Version: https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/180713_agreed_outcome_global_compact_for_migration.pdf )
Einordnung/Rechtsverbindlichkeit
Die Grundlage des UN-Migrationspaktes ist die New Yorker Erklärung vom 19. Sep. 2016, welche neben einem Pakt für Flüchtlinge einen bis 2018 auszuarbeitenden Pakt für die sichere, geordnete und reguläre Migration vorsieht. (Quelle mit Verlinkung zum Text der New Yorker Erklärung: https://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/auf-dem-weg-zum-globalen-pakt-fuer-fluechtlinge/new-yorker-erklaerung) In Art. 3 wird deutlich, dass sich der Migrationspakt sich nicht mit Flucht beschäftigt.
Der UN-Migrationspakt setzt insgesamt 23 Ziele, deren konkrete Ausgestaltung im Text des Paktes formuliert wird. Die Zielüberschriften sind am Ende dieses Textes angehängt.
Viel diskutiert ist die Frage, wie rechtsverbindlich der Pakt ist. In der Präambel des Paktes findet sich hierzu klar formuliert. Hierzu heißt es u.a. in Art. 15 lit b):
„Internationale Zusammenarbeit. Der Globale Pakt ist ein rechtlich nicht bindender Kooperationsrahmen, der anerkennt, dass Migration von keinem Staat allein gesteuert werden kann, da das Phänomen von Natur aus grenzüberschreitend ist und somit Zusammenarbeit und Dialog auf internationaler, regionaler und bilateraler Ebene erfordert. Die Autorität des Paktes beruht auf seinem Konsenscharakter, seiner Glaubwürdigkeit, seiner kollektiven Trägerschaft und seiner gemeinsamen Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung.“ 1)
Der Pakt ist also rechtlich nicht bindend. Er ist vielmehr eine Absichtserklärung. Das heißt aber nicht, wie vielfach vermittelt, dass der Inhalt irrelevant sei. Mit dieser Argumentation könnte man schließlich auch einem „Pakt zur effizienten Versklavung von Kindern“ zustimmen. Der Pakt hat durchaus zumindest politische Bindung. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass ein „Überprüfungsforum“ gebildet werden soll, (siehe Art. 48 ff.) sowie dass alleine das Wort „verpflichten“ 46 mal in dem Pakt genannt wird. Jedoch wird eindeutig in Art. 15 lit. c festgelegt:
„Nationale Souveränität. Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. […]“ 2)
Jedoch befürchten verschiedene Völkerrechtler, dass es als sog. „soft law“ der Migrationspakt über die Hintertür zumindest mittelbar rechtsbindende Wirkung entfalten kann, da bei der Rechtsauslegung auch auf Absichtserklärungen wie den Migrationspakt zurückgegriffen werden kann und Inhalte des Paktes zu Völkergewohnheitsrecht werden könnten. (Stellungnahme von Prof Herdegen: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus184418188/Matthias-Herdegen-Wuerde-dem-Migrationspakt-so-nicht-zustimmen.html?fbclid=IwAR2odp9RROMeL6xpdLbq9b7gfYZYKTyIRsCkjfvtU-W1eBTlOTORSB8mC-I ) Folglich ist es zur Meinungsbildung über den Pakt bedeutsam, sich mit dessen Inhalt auseinander zu setzen.
Beispielhaft ausgewählte Ziele
a.) 2. Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen
Der UN-Migrationspakt sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, die sich im Grunde genommen mit der Verhinderung irregulärer Migration befasst. Dazu heißt es in Art. 18:
„Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen und ihre persönlichen Ambitionen verwirklichen können, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie nicht dazu veranlassen, durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen. […]“ 3)
Dabei werden einzelne Projektefelder genannt, in denen Investitionen getätigt müssen „ […] unter anderem durch Armutsbeseitigung, Ernährungssicherung, Gesundheits- und Sanitärversorgung, Bildung, inklusives Wirtschaftswachstum, Infrastrukturentwicklung, städtische und ländliche Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen, menschenwürdige Arbeit, Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen, Aufbau von Resilienz und Katastrophenvorsorge, Klimawandelabschwächung und -anpassung, Bekämpfung der sozioökonomischen Auswirkungen aller Formen der Gewalt, Nichtdiskriminierung, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung, Zugang zur Justiz und Schutz der Menschenrechte, sowie mit dem Ziel, friedliche und inklusive Gesellschaften mit wirksamen, rechenschaftspflichtigen und transparenten Institutionen zu schaffen und zu erhalten.“ (Art. 18 lit b) 4)
Hierbei wird deutlich betont, dass diese Ziele nicht auf einzelstaatlicher Ebene erreicht werden können. Entwicklungshilfe wird hierbei vorausgesetzt.
Der Pakt setzt sich jedoch ein (auch bei Rechts- und Linksaußen nicht ganz unbekanntes) Ziel, „die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte („brain drain“) zu vermeiden und die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte („brain gain“) in den Herkunftsländern zu optimieren“ (Art. 18 lit. e)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Migrationspakt selbst Migration nicht fördern will. Dass es erklärtes Ziel sei, möglichst viele Migranten in Industriestaaten zu locken, gehört in die Märchenkiste. Im Gegenteil: Die überparteiliche Forderung (Rechts- und Linksaußen eingeschlossen) Fluchtursachen zu bekämpfen ist klar erklärtes Ziel des Paktes. Hierbei werden aber auch die Industriestaaten einen Beitrag leisten müssen.
b) 4. Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen
Dieser Abschnitt befasst sich hauptsächlich mit Ausweispapieren für Migranten. So heißt es in Art. 20:
„Wir verpflichten uns, das Recht aller Menschen auf eine rechtliche Identität zu erfüllen, indem wir alle unsere Staatsangehörigen mit Nachweisen ihrer Staatsangehörigkeit und relevanten Dokumenten ausstatten, die es nationalen und lokalen Behörden ermöglichen, die rechtliche Identität von Migranten bei der Einreise, während des Aufenthalts und zum Zwecke der Rückkehr festzustellen […]“ 5)
Natürlich ist es für Migranten positiv, sich jederzeit Ausweisen zu können. Aber es liegt auch im ureigensten Interesse der Zielländer zu wissen, wer die Einreise in ihr Land begehrt. Die Grundlage dafür ist aber die im Pakt geforderte Möglichkeit, dass man in jeder Zeit des Migrationsprozesses die nötigen Dokumente beim Heimatland beantragen kann.
Kritischer könnte man jedoch die Forderungen zur Staatsangehörigkeit und der Einführung einer Staatsangehörigkeit nach dem Geburtsort (ius soli) sehen:
„verstärkte Maßnahmen zur Verminderung der Staatenlosigkeit ergreifen, unter anderem, indem wir neugeborene Migranten registrieren, dafür sorgen, dass Frauen und Männer gleichermaßen ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben können, und im Hoheitsgebiet eines anderen Staates geborenen Kindern die Staatsangehörigkeit zuerkennen, insbesondere in Fällen, in denen das Kind sonst staatenlos wäre, unter voller Achtung des Menschenrechts auf eine Staatsangehörigkeit und im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften“ 6) (Art. 20 lit. e)
In dem Kontext kann man aus deutscher Sicht sagen, dass bereits ein eingeschränktes ius solinach § 4 Abs. 3 StAG (https://www.gesetze-im-internet.de/stag/__4.html ) vorgesehen ist, wenn die Eltern seit 8 Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung haben. Eine Privilegierung von Staatenlosen, wie gefordert, gibt es im StAG nicht. Beachtet man das Recht auf eine Staatsangehörigkeit aus Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (https://www.menschenrechtserklaerung.de/staatsangehoerigkeit-3629/ ) und eben o.g. aus dem Pakt, wäre wohl zumindest ein Lockerung der Anforderungen an das ius soli für Staatenlose folgerichtig.
c) 5. Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration
Der ganze Abschnitt steht unter einem Schirm, den man rein wörtlich und ohne Zusammenhang derart interpretieren kann, die Staaten sollen allgemein Migration ermöglichen:
„Wir verpflichten uns, die Optionen und Wege für eine reguläre Migration in einer Weise anzupassen, die in Widerspiegelung der demografischen Wirklichkeit und der Realität auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskräftemobilität und menschenwürdige Arbeit erleichtert, Bildungschancen optimiert, das Recht auf ein Familienleben wahrt und den Bedürfnissen von Migranten in einer prekären Situation gerecht wird, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit von Wegen für eine sichere, geordnete und reguläre Migration zu verbessern und zu diversifizieren.“ (Art. 21) 7)
Man muss hierbei aber sehen, dass Art. 15 lit c den Staaten ausdrücklich erlaubt, zwischen regulärer und irregulärer Migration zu unterscheiden:
„ […] Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes, unter Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Realitäten, Politiken, Prioritäten und Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt und Arbeit und im Einklang mit dem Völkerrecht.“ 8)
Im Grunde geht es in dem Abschnitt also nicht darum, irreguläre Migration zu befürworten, sondern diese bspw. durch ein Einwanderungsgesetz in Bahnen zu lenken. Es lässt sich aber für reguläre Migranten ein Recht auf Familiennachzug („das Recht auf Familienleben“) sowie auf soziale Unterstützung („den Bedürfnissen von Migranten in einer prekären Situation gerecht wird.“) ableiten. Dieses lässt sich jedoch bei Familien bereits u.a. aus Art. 6 Abs. 1 GG („Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“) ableiten. Zu den Sozialleistungen später mehr. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich auch aus diesem Abschnitt keine Verpflichtung von der massenhaften Aufnahme von Migranten ableiten lässt.
d) 11. Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement
Im Grunde fordert der Migrationspakt hier, reguläre Migration an den Grenzen zu erleichtern, zeitgleich aber irreguläre Migration zu verhindern. So heißt es in Art. 27:
„Wir verpflichten uns, das Management unserer nationalen Grenzen zu koordinieren, die bilaterale und regionale Zusammenarbeit zu fördern, die Sicherheit der Staaten, Gemeinschaften und Migranten zu gewährleisten, sichere und reguläre Grenzübertritte zu ermöglichen und gleichzeitig irreguläre Migration zu verhindern. Wir verpflichten uns ferner, eine Grenzmanagementpolitik durchzuführen, die die nationale Souveränität, die Rechtsstaatlichkeit, die völkerrechtlichen Verpflichtungen und die Menschenrechte aller Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus achtet und nichtdiskriminierend, geschlechtersensibel und kindergerecht ist.“ 9)
Hierzu ist u.a. „[…] für umfassende und effiziente Grenzübertrittsverfahren [zu] sorgen, einschließlich durch Vorabkontrollen ankommender Personen, Vorabübermittlung von Passagierinformationen durch Beförderungsunternehmen und Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien, […]“ (Art. 27 lit. b) 10)
Man sieht also auch hier eindeutig, dass eben eine kontrollierte Zuwanderung und eben keine unkontrollierte ohne Wissen über die Einreisenden angestrebt wird.
e) Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration
Ziel 17 ist wohl eines der kritischsten Teile des Migrationspaktes. Im Grunde geht es darum, wie der Gesellschaftliche Diskurs über Migration gestaltet werden soll. Allein schon der Ansatz, dass der Staat als Akteur in dem Diskurs auftreten soll, wirft Fragen auf. Konkret heißt es in Art. 33:
„Wir verpflichten uns, im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen alle Formen der Diskriminierung zu beseitigen und Äußerungen, Handlungen und Ausprägungen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz gegenüber allen Migranten zu verurteilen und zu bekämpfen. Wir verpflichten uns ferner, in Partnerschaft mit allen Teilen der Gesellschaft einen offenen und auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurs zu fördern, der zu einer realistischeren, humaneren und konstruktiveren Wahrnehmung von Migration und Migranten führt. Wir verpflichten uns außerdem, im Einklang mit dem Völkerrecht das Recht der freien Meinungsäußerung zu schützen, in der Erkenntnis, dass eine offene und freie Debatte zu einem umfassenden Verständnis aller Aspekte der Migration beiträgt.“ 11)
Auch wenn grundsätzlich ein „auf nachweisbaren Fakten basierender Diskurs“ in Zeiten von Fake-News elementar ist, stellt sich die Frage, in wie weit im Sinne der Meinungsfreiheit eingreifen sollte. Natürlich kann man diesen Abschnitt auch so interpretieren, dass staatliche Äußerungen bzgl. Migranten immer auf einer ausreichenden Faktenlage beruhen sollen und der Staat auch Informationen bereitstellen sollen. Durch den Zusatz „in Partnerschaft mit allen Teilen der Gesellschaft“ wird aber deutlich, dass es nicht nur um Aussagen staatlicher Akteure geht. Auch in Art. 33 lit c. wird klar die Rolle der Medien bezüglich Migration benannt:
„unter voller Achtung der Medienfreiheit eine unabhängige, objektive und hochwertige Berichterstattung durch die Medien, einschließlich Informationen im Internet, fördern, unter anderem durch Sensibilisierung und Aufklärung von Medienschaffenden hinsichtlich Migrationsfragen und -begriffen, durch Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung und Werbung und durch Einstellung der öffentlichen Finanzierung oder materiellen Unterstützung von Medien, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern;“ 12)
Man wird hier sagen können, dass es eig. selbstverständlich sein sollte, dass der Staat nicht irgendwelche Hass- und Fakenewsseiten im Netz wie Breitbard oder Halle-Leaks fördern sollte. Bloß stellt sich die Frage, ab wann ein Medium „systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus fördert.“ Würde bspw. auch die Bild-Zeitung mit ihren reißerischen Titeln und Berichten darunterfallen?
f) Sozialleistungen
Einer der Hauptkritikpunkte am Migrationspakt ist, dass er einen unkontrollierten Zugang in Sozialsysteme anderer Länder vorsehe. Der Migrationspakt selbst geht an unterschiedlichen Stellen auf Sozialleistungen ein, weswegen sie hier über die einzelnen aufgeführten Ziele übergreifend behandelt werden.
Zu Sozialleistungen heißt es u.a. in Art. 31:
„Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können. […]“ 13)
Tatsächlich muss man aber sehen, dass der Pakt nicht auf Deutschland zugeschnitten ist, sondern für 192 Staaten gilt. Es heißt also nicht, dass bereits bestehende Leistungen nicht ausreichend sein könnten. In Deutschland haben bereits Migranten einen Anspruch auf fundamentale Sozialleistungen, der sich allein schon aus dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG, sowie aus dem Menschenwürde Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG.
Wie in Art. 15 lit. a deutlich wird, ist es zwar verboten aufgrund von Rasse bei Grundleistungen zu diskriminieren (Bspw. Migranten aus Osteuropa bekommen 100 € mehr als welche aus Nordafrika), jedoch ist ausdrücklich eine Diskriminierung aufgrund von Migrationsstatus erlaubt. (Bspw. irreguläre Migranten bekommen andere Leistungen als Flüchtlinge und diese wieder andere als Staatsbürger):
„Gesetze erlassen und Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass bei der Erbringung von Leistungen keine Diskriminierung von Migranten aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Überzeugung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung oder aus anderen Gründen stattfindet, ungeachtet der Fälle, in denen eine unterschiedliche Leistungserbringung aufgrund des Migrationsstatus zutreffen kann.“
Auch sonst lässt sich kein Anhaltspunkt finden, dass durch den Migrationspakt Migranten mehr zugesprochen wird, als sie bereits in Deutschland haben: Dach über dem Kopf, Essen, Trinken und Gesundheitsfürsorge.
In Ziel 22 werden Anstrengungen festgelegt, dass bereits eingezahlte Sozialleistungsbeiträge auf die Sozialversicherungssysteme anderer Länder bei Arbeitsmigranten übertragbar werden sollen. Hierbei kommt es natürlich auf die konkrete Einzelfallgestaltung an. Wenn aber die geleisteten Beiträge auch an das Zielland überwiesen werden, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der Zielländer.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Migrationspakt zwar Grundleistungen für Migranten vorsieht, aber auch nicht mehr. Die viel geschürte Angst, Migranten würden jetzt IPhones, Autos, Häuser bekommen, ist unberechtigt.
g) Zugang zum Rechtssystem
Ähnlich wie bei Sozialleistungen, äußert sich der Text des Migrationspaktes an unterschiedlichen Stellen zum Zugang von Migranten zum Rechtssystem. Die AfD bemängelt u.a. es würden Kosten dadurch entstehen, dass Migranten Zugang zu rechtlichem Beistand haben.
Grundsätzlich sieht der Pakt bspw. in Art. 23 lit. g vor, dass jeder Migrant bei einem ihn betreffenden gerichtlichen Verfahren einen Zugang zu einem bezahlbaren Rechtsbeistand hat. In Art. 33 lit. e werden Rechte von Migranten betont, gegen diskriminierende Maßnahmen vorzugehen.
Das Problem hier ist aber nicht, dass Migranten den Zugang zu Gerichten haben, sondern die AfD schlichtweg das Grundrecht auf richterliches Gehör nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verkennt:
„Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“
Dieses Recht auf richterliches Gehör ist eines der elementarsten Grundpfeiler unseres Rechtstaates. Natürlich gilt es auch für Migranten.
Zusammenfassung
Leider würde es den Rahmen sprengen, auf alle möglichen Aspekte und Ziele des Migrationspaktes einzugehen. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass die Debatte wohl sehr überhitzt geführt wird. Der vom YouTuber MrWissen2go angebrachte Vergleich der Debatte mit einem unbeaufsichtigten Topf Milch auf dem Herd, der plötzlich aufschäumt, ist sehr passend. (https://www.youtube.com/watch?v=11V0YvPrRGc ) Viele Bedenken gegen den Pakt sind an den Haaren herbeigezogen. Große Teile sind bereits heute in Deutschland geltendes Recht. Jedoch sind einige Bedenken wiederum berechtigt, insb. bezüglich Eingriffe in die Meinungsfreiheit. Auch ist das Standard Pro-Argument für den Pakt „Der Pakt ist sowieso nicht verbindlich“ sehr schwach. Es gibt jedoch einige inhaltliche Punkte, die für den Pakt sprechen. Er hat einige sinnvolle Antworten, wie man Migration regulieren kann.
Ob man jetzt aber für oder gegen den Pakt ist, ist am Ende wohl egal. Wenn der Pakt scheitern sollte, hindert das nicht daran, bilateral an Lösungen für Migration zu suchen. Der Pakt würde diese Lösungen ohnehin nicht ersetzen. Wenn der Pakt nicht scheitert, würde das ein positives Signal senden, dass man zwar keine unkontrollierte Migration will, man aber Migranten immer noch als Menschen betrachtet und nicht als wilde Tiere. Wenn der Pakt aber nicht durch die einzelnen Staaten mit Leben gefüllt wird, bleibt er ähnlich wirkungslos wie das Kyoto-Protokoll. Um zu verhindern, dass der Pakt doch über die Hintertür rechtsverbindlich wird, könnte evtl. eine zusätzliche völkerrechtliche Erklärung der Bundesregierung helfen, dass sie sich mit ihrer Zustimmung zum Pakt auch nicht völkergewohnheitsrechtlich binden möchte. (persistent objector)
Abschließend lässt sich sagen, dass hier (so wie bei fast alle anderen Debatten) eine Versachlichung des Diskurses notwendig ist. Es hilft keinem etwas, wenn alle Pakt-Kritiker als Nazis und alle Pakt-Befürworter als Volksverräter diffamiert werden. Aber vor allem wird die Debatte über den Pakt stark überbewertet.
Anhang
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