Gastbeitrag von Josef Seitz (FDP & JuLis München)

 

Die Fridays for Future-Demonstrationen der letzten Wochen haben gezeigt, dass es gerade vielen jungen Leuten mit dem Klimaschutz nicht schnell genug geht. Dessen Notwendigkeit wird  nur von einer Partei, der AfD, bestritten. Bei den anderen Parteien unterscheidet sich dann lediglich die Herangehensweise und die Priorität dieser Thematik. Das Konzept der hat dabei ein grundsätzliches Problem, es ist zwar simpel, aber nicht zu Ende gedacht.

Der Grundgedanke klingt charmant. Die Staaten dieser Erde schließen internationale Abkommen ab und bekämpfen den Klimawandel mit neuen, innovativen Technologien, die uns aufgrund von Investitionen in adäquate Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Dieser Ansatz ignoriert allerdings eine fundamentale Eigenschaft von Wissenschaft und Forschung: Innovationen kommen nicht auf Bestellung. Es gibt zwar Beispiele der letzten Jahre, die zu beweisen scheinen, dass das möglich wäre. So gelang es – unterstützt durch Forschungsgelder aus öffentlicher Hand –, den Wirkungsgrad von Solarzellen massiv zu steigern. Die Korrelation von Forschungsgeldern mit Durchbrüchen auf diesem Gebiet ist nicht von der Hand zu weisen, und dennoch: eine gewisse Restunsicherheit bleibt, ob die Investitionen in die Forschung tatsächlich in der Lage sind, die angestrebten Ergebnisse zu liefern. Beispielsweise wurde in den letzten Jahren, obwohl auch dort viel investiert wurde, kein wirklich nennenswerter Fortschritt in der Extrahierung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid aus der Luft erzielt. Und dies, obwohl eine solche Technologie unvermeidlich notwendig ist, um etwa die Emissionen aus der tierischen Landwirtschaft zu kompensieren, deren völliger Aufgabe in nächster Zeit wohl keinen großen Zuspruch in der Bevölkerung finden wird. Es ist also nicht damit getan, Geld in Zukunftstechnologien zu investieren. Die FDP offenbart im blinden Glauben an technologische Wunder ihre klimapolitische Naivität, die ihrem eigenen Realismusanspruch nicht gerecht wird.

Zweifelhaft an der liberalen Klimapolitik ist auch der fast ausschließliche Fokus auf internationale Lösungen. Grundsätzlich stimmt das Argument natürlich, dass Deutschland alleine nur eine geringe Auswirkung auf die globalen CO2-Emissionen haben kann (sowohl aktuell als auch kumulativ liegen wir im einstelligen Prozentbereich der weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen).Aber auch hier gilt die Devise: besser als nichts. Denn selbst wenn man behauptet, dass die Nachteile (also eventuelle wirtschaftliche Einbußen) diese vergleichsweise geringe Reduktion der Emissionen ausbalancierten oder sogar überwiegten, so lässt man außer Acht, dass es bei fehlenden bindenden internationalen Abkommen – also in der jetzigen Lage – erst recht schwierig ist, andere Dinge gegenüber dem Klimawandel zu priorisieren. Denn es ist unleugbar, dass der Klimawandel die größte Herausforderung unserer Zeit ist. Vor gut drei Jahren haben wir zwar mit dem Pariser Klimaschutzabkommen einen durchaus ambitionierten Vertrag geschlossen, der  aber keine echte rechtliche Bindung besitzt und  aus dem Länder einfach austreten können. Vor allem im derzeitigen Handelskrieg zwischen den USA und China und, in Teilen, der Europäischen Union ist kein politisches „Klima“ und auch nicht überall Interesse daran vorhanden, ein solches rechtlich bindendes und schlagkräftiges Abkommen auszuhandeln.

Dass ein solches Abkommen grundsätzlich erreicht werden kann, ist nicht zu bezweifeln. So konnte sich bei der drohenden Ozonlochausweitung die Weltgemeinschaft innerhalb weniger Jahre auf ein FCKW-Verbot einigen, was in der Gegenwart zum Rückgang des Ozonlochs führt. Ein großer Erfolg internationaler Politik. Und dennoch gilt auch hier genauso wie bei der Innovationsgläubigkeit: Wir können nicht wissen, wann es ein solches Abkommen geben wird. Wir sollten alles daransetzen, um es zu erreichen. Schließlich wäre es, wie die FDP richtig sagt, ein sehr großer Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels . Aber solange dieses Abkommen noch nicht existiert, können wir uns es nicht leisten, einfach darauf zu warten. Je mehr Zeit wir benötigen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, desto länger läuft das System der positiven Rückkopplungsschleifen auf der Erde weiter, und desto höher wird der Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ausfallen. Selbst wenn alle Staaten ihre CO2-Emissionen von heute auf morgen auf 0 kappen würden, könnten wir uns der Erreichung des 1,5-Grad-Zieles nicht sicher sein.

auf ein globales Klimaabkommen zu warten, wäre es nicht besser, jetzt sofort auch national mit einer drastischen CO2-Reduktion zu beginnen? Mehrere Gründe sprechen dafür. Zum einen können auch die gebrandmarkten „nationalen Alleingänge“ erfolgreich sein, prominentestes Beispiel dafür sind die massiven Subventionen von Solarzellen, die in den letzten Jahren zu einem sprunghaften Anstieg von Solarstrom im deutschen Strommix gesorgt haben. Und auch wenn die ökonomischen Aspekte dieser Entscheidung immer noch diskutiert werden, so war sie klimapolitisch durchaus ein Erfolg. In gleicher Weise reduzierten die klimapolitischen Alleingänge die nationalen Emissionen um fast 30% gegenüber dem Referenzjahr 1990, und zwar trotz der kontinuierlich steigenden Wirtschaftsleistung. Das gleiche Bild gilt übrigens für die gesamte Europäische Union. Es wurden im europäischen Wirtschaftsraum signifikante Einsparungen erzielt, zwar mit rechtlicher Bindung seitens der EU, aber ohne wirklich reelle Schlagkraft. Die Einsparungen sind auch hier also eher auf nationale Bemühungen, die von der EU unterstützt und auch teilweise gefordert wurden, zurückzuführen. Folglich kann den einzelnen Mitgliedsländern – Ausnahmen ausgenommen – grundsätzlich nicht der gute Wille zum Klimaschutz abgesprochen werden, wie ihn das FDP-Parteiprogramm mit „was wir einsparen, verbrauchen die anderen mehr“ sinngemäß umschreibt. Auch marktwirtschaftlich kann diese Art von Subventionen, wie die in die Solarenergie, durchaus sinnvoll sein, da den Unternehmen durch die erhöhten Absatzzahlen mehr Mittel zur Reduktion des Preises und zur Steigerung der Effizienz zur Verfügung stehen. Es wird also hier ein künstlicher Innovationsdruck hervorgerufen, der wie oben beschrieben Neuerungen nicht erzwingt, aber fördert, sodass die Solarzelle langfristig auch ohne Subventionen auf dem Markt überleben kann.

Zwecks klimapolitischer Zielsetzung sollte hier also die Devise gelten: man kann – und muss – dem Markt zu seinem und vor allem unserem Glück verhelfen. Das andere Argument für einen stärkeren Einschnitt in die CO2-Emission ist ein ganz banales: Wenn man sich darauf einigt, dass zum Erreichen des jeweiligen Klimaziels, seien es nun 1,5 oder 2 Grad, jedes Land über den gesamten Zeitraum ab der Industrialisierung nur eine gewisse Gesamtmenge an CO2 emittieren darf, so folgt direkt als Konsequenz: je später man anfängt, desto drastischer muss die Reduktion vonstattengehen. Je früher man also spart, desto verträglicher für die Wirtschaft werden wir den Klimawandel meistern. Das sollte in unser aller Interesse sein.

Niemand kann sagen, ob es zehn, zwanzig oder noch mehr Jahre dauern wird, bis wir die notwendigen Technologien und internationalen Abkommen haben werden, um dem Klimawandel ebenbürtig gegenüber treten zu können. Dass wir beide brauchen, ist wohl kaum zu bezweifeln. Solange wir diese aber noch nicht haben, müssen wir versuchen, auch national und mit bestehenden Technologien die globale Erwärmung zu begrenzen.

 

Josef Seitz studiert Physik (Mitglied der FDP und der JuLis in München) und ist Stipendiat des bayerischen Max Weber-Programms sowie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.